Geschichte

BrauWerk Eingang

Es ist spät abends. Die dunkle Nacht hat sich über Oberweningen gesenkt. In einem beleuchteten Raum, vollgestellt mit Bierharrassen, nippen drei Männer an ihren Flaschen. Doch Marco Nägeli, Stefan Kägi und Thomas Müller gönnen sich nicht etwa ein Feierabendbier. Sie arbeiten an ihrer Geschäftsidee: Die BrauWerk GmbH, die eigene Kleinbrauerei. «Das hier könte unsere erste Sorte werden, ein nach kölnischem Rezept gebrautes Bier», sagt Nägeli. Noch ist der Prototyp nicht ausgegoren. «Der Geschmack ist nicht rund und entspricht noch nicht unseren Vorstellungen», findet er. In einem Buch hält er jeden Brauversuch fest. Malzsorte, Gärdauer, Temperatur, alles wird minutiös protokolliert. «Beim nächsten Mal wollen wir es mit entkalktem Wasser probieren», sagt der Oberweninger. Das Wasser der Lägeren sei sehr hart. Das verleihe dem Bier einen herben Beigeschmack.

 

Kampf für eine echte Bierkultur


 

Seit einem Jahr arbeiten die drei berufstätigen Familienväter an ihrem Traum. 1500 Stunden haben sie bereits in das Projekt investiert, alle an den freien Abenden und Wochenenden. «Grundsätzlich sind wir startklar», erklären die drei Hobbybrauer. Für den Braustart fehlen nur noch die Bewilligungen der involvierten Behörden. «Die Idee zur eigenen Brauerei kam uns bei Thomas’ Geburtstagsparty», erinnert sich Nägeli. «Es war ein schöner Sommertag. Wir standen da, mit einem Bier in der Hand, und ärgerten uns über die Situation auf dem Biermarkt.» Das war 2008. Carlsberg hatte sich gerade anlässlich der Fussballeuropameisterschaft ein Ausschankmonopol in allen Fanmeilen gesichert. «Das kann doch so nicht weitergehen», dachten sich die drei Unterländer und beschlossen, sich dem Mainstream zu widersetzen. «Die Grossbrauereien stellen alle den gleichen Einheitsbrei her», schimpft Nägeli. Die Braumeister selber könnten bei einer Blinddegustation ihr eigenes Bier nicht wiedererkennen. Mehrfach filtriert und pasteurisiert hätten die Massenbiere kaum mehr Geschmack. «Dabei verleihen doch erst die Trübstoffe einem Bier das richtige Aroma», hält Müller fest und fügt an: «Wir wollen wieder eine echte Bierkultur heranzüchten. Die meisten Konsumenten wissen doch gar nicht mehr, wie ein richtiges Bier schmeckt.» Die drei Freunde begannen, ihre Idee in die Tat umzusetzen. Doch zuerst musste das Wissen her. «Keiner von uns ist vom Fach. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir nur leidenschaftliche Biertrinker.» Müller arbeitet als Polymechaniker, Kägi ist Polizist und Nägeli Verkaufsleiter. Ein Jahr lang klapperten sie Brauereien ab, besuchten Kurse und fingen dann zu tüfteln an. Das Ergebnis der Brauversuche sind nebst dem Kölnischen ein Brezen und ein deutsches Altbier. «Wir setzen bewusst auf aromatische und trotzdem leichte, süffige Biere. Biere, die auch Frauen mögen und von denen man an einem lauen Sommerabend gut zwei, drei Gläser vertilgen kann», erklärt Nägeli.

Selber bevorzugen die waschechten Mannsbilder aber ganz andere Kaliber: «Ich mag India Pale Ale», verrät Müller. Kägi hat sich in Märzenbier und richtig schwarzes Stout verliebt. «Das Angebot soll dereinst drei bis fünf Standardbiersorten umfassen. Hinzu könnten Spezialsorten und Saisonbiere kommen. «Dann erhalte ich von meinen Freunden vielleicht die Bewilligung, mein Märzen zu brauen», meint Kägi und lächelt schelmisch. 10’000 Liter wollen die Hobbybrauer pro Jahr herstellen. Dafür steht ein Budget von 160’000 Franken zur Verfügung. Vertreiben wollen sie ihr Bier an Privatpersonen, Restaurants und Quartierläden. Viele Kontakte seien schon geknüpft.

Keine Bieridee

Dass es sich dabei um keine Bieridee handelt, davon sind die drei überzeugt: «Lokalbiere liegen einfach im Trend.» Wie Pilze würden derzeit überall Kleinbrauereien aus dem Boden spriessen. «Die Leute verlangen wieder nach Bier mit mehr Geschmack und mehr Qualität», sagt Nägeli. Auch würden viele in einer globalisierten Welt lokalen Produkten den Vorzug geben. Nun warten Nägeli, Kägi und Müller nur noch auf das grüne Licht von der Gemeinde. «Wir wollen unbedingt die anstehende Sommersaison noch mitnehmen. Sonst könnten wir in finanzielle Schwierigkeiten geraten», erklären die drei Bierfreunde.

Selber Brauen liegt im Trend

Das neuste Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien, welches von der Eidgenössischen Zollverwaltung geführt wird, umfasst 413 Einträge. Im Jahr 2000 waren es lediglich 96. Aus dem Kanton Zürich sind aktuell 56 Brauer aufgelistet, 12 davon stammen aus den Bezirken Bülach und Dielsdorf. Erst im letzten Jahr sind mit der Beizenbrauerei Marchle aus Lufingen, der Brauwerk GmbH aus Oberweningen
und der Bierzunft Wehntal aus Schöfflisdorf drei weitere Unterländer Produzenten dazugestossen. Hartmuth Attenhofer, Statthalter des Bezirks Zürich und Generalsekretär der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt, freut diese Entwicklung natürlich: «Sein eigenes Bier zu brauen, liegt seit einigen Jahren im Trend.» So wie Weintrinker nicht nur einen Rot- oder Weisswein zur Auswahl haben wollen, sind auch Biertrinker immer mehr zu Feinschmeckern geworden. Und da vielen die Produkte der Grossbrauereien zu eintönig erschienen, hätten sie selbst zu Hopfen und Malz gegriffen und ihr eigenes Bier hergestellt. Die meisten werden allerdings nicht über den Status einer Kleinbrauerei hinauskommen. «Um nur einen Lohn auszahlen zu können, müsste man rund eine Million Franken in die Brauerei investieren», rechnet Attenhofer vor. Zu Beginn seien die Kosten für die Anschaffung der nötigen Infrastruktur noch verkraftbar. Bei der Distribution und Logistik steigen die Kosten beachtlich. Auf dem Getränkemarkt würden somit niemals alle Schweizer Biere zu finden sein. Attenhofer beobachtet auch, dass viele Biere aus Kleinbrauereien geschmacklich in eine ähnliche Richtung gehen: «Spezielle Geschmacksrichtungen lassen sich kaum vermarkten.» Eine «Einheitspfütze», wie sie Grossbrauereien herstellten, sei aber nicht zu befürchten.

Quelle: Zürcher Unterländer